Marc Wagener hat als GROWPORT-Coach und -Consultant täglich mit Teams zu tun, die ihre Zusammenarbeit verbessern wollen. Ein Faktor, der dabei eine entscheidende Rolle spielt, sind Glaubenssätze. Hier erfahren Sie, welche Bedeutung diese haben – positiv wie negativ
Wenn Menschen sich verändern wollen, dann begegnen sie oft ihren Glaubenssätzen. Was sind denn Glaubenssätze eigentlich genau?
Glaubenssätze sind manchmal innere Grenzen, also tatsächlich die Limits, die wir uns selbst setzen. Manchmal aber auch mal Ermöglicher oder Förderer für eine Veränderung. Sie sind Regeln, die wir uns selbst geben oder die wir über das Leben gelernt haben. Also darüber, wie die Welt beschaffen ist – ob sie gut oder schlecht ist. Aber auch, dass eine gewisse Handlung etwas zur Folge hat, kann ein Glaubenssatz sein. Im Sinne von „Immer, wenn ich das mache, passiert dies."
Wie bewusst sind uns unsere Glaubenssätze denn?
Sie gehören zu unserer Identität, sind wie eine innere Landschaft, auf der wir bestimmte Referenzpunkte haben, auf die wir zurückgreifen, wenn etwas Neues passiert. Viele Menschen sind dadurch gesteuert in ihrem Leben, jeden Tag von morgens bis abends und merken es oft gar nicht.
Gibt es auch Menschen, die keine Glaubenssätze haben?
Ich glaube nicht, dass wir ohne Glaubenssätze irgendetwas tun würden. Sie sind sozusagen die Antreiber für unser Handeln. Wenn ich keine Glaubenssätze hätte, dann hätte ich keine Meinung zu irgendetwas, keine Idee, was ich in bestimmten Situationen tun soll. Deswegen würde ich sagen: Nein, es gibt keine Menschen ohne Glaubenssätze.
Wann sind Glaubenssätze gut für mich?
Wenn sie einem die innere Erlaubnis geben, bestimmte Dinge zu tun. Und wenn sie mir eine Antwort auf die Frage geben: Warum gibt es mich eigentlich auf der Welt? Was ist meine Aufgabe, also die Sinnhaftigkeit hinter dem, was ich mache? Dann helfen sie mir, sehr klar meine Identität zu beschreiben und zu spüren.
Wann warst du persönlich erstmals bewusst mit dem Thema Glaubenssätze konfrontiert?
Ganz konkret, als ich mich fragte, ob ich ein Unternehmen wie GROWPORT führen kann. Es gab Stimmen in mir, die gesagt haben, ich kann es auf jeden Fall noch nicht. Aber eben auch die, die gesagt haben: Das kannst du verändern. Das war vor etwa 20 Jahren im Studium in Schweden, als uns Studierenden Fragen zu unserer inneren Haltung gestellt wurden. Ich komme aus dem Wirtschaftsbereich, aber eben aus der Sozialökonomie. Im Studium habe ich viel darüber gelernt, wie Menschen über Systeme denken und wie sie übereinander denken. Wir haben es damals nicht Glaubenssätze genannt, aber eigentlich ging es genau darum. Später in meiner NLP- Ausbildung habe ich beim amerikanischen Bestsellerautor und NLP-Trainer Tony Robbins viel über Glaubenssätze gelernt. Ein Glaubenssatz, den ich sehr stark in mir trage, ist der, dass es mich deshalb gibt, um anderen Menschen zu helfen. Um andere Menschen stark zu machen mit dem, was ich kann. Wenn mich jemand fragt, was ich tue, dann sage ich oft: „Ich mache das, was ich bin und ich bin dann auch das, was ich mache.“ Um einen Satz so klar sagen zu können, ist oft viel innere Arbeit nötig. Es lohnt sich, dafür in sich zu forschen. Ich habe so zum Beispiel herausgefunden, dass ich immer schon viel für andere Menschen da war, als Mannschaftsführer im Sport, aber auch als der, der seine Freunde nach der Party nach Hause getragen hat.
Welche Rolle spielen die eigenen Eltern bei der Entstehung von Glaubenssätze?
Sie sind meist die Ersten, die Glaubenssätze bei uns formen – von ihnen lernen wir, was wir aus ihrer Sicht über die Lebensreise herausfinden sollten. Sie setzen wichtige Impulse für unsere Ermöglicher, aber eben auch für unsere Limits. Es lässt sich im Coaching gut herausarbeiten, was die Familie um mich herum geglaubt hat. Um daraus dann abzuleiten: Wie fühlt sich das heute für mich an? Ist das überhaupt mein Glaubenssatz oder will ich ihn verändern, weil er mich zu sehr einengt in meinem Tun?
Können unterschiedliche Glaubenssätze auch dazu führen, dass zwei Menschen aneinandergeraten, weil sie einfach in ganz unterschiedlichen Referenzsystemen stecken?
Nehmen wir mal an, meine Kollegin geht zur Arbeit mit dem Glaubenssatz „Ich muss nur motiviert sein, dann wird das, was ich tue, auf jeden Fall gut.“. Und ich habe den Glaubenssatz „Ich muss mich anstrengen, nur dann ist es gute Arbeit.“
Wenn wir dann ein gemeinsames Projekt haben, könnte das doch schwierig werden?
Na ja, ich denke, dass es gut wäre diese Unterschiedlichkeit bewusst wahrzunehmen und wertzuschätzen, auch wenn das erstmal schwer fällt. Wenn wir uns auch bei der Arbeit darüber klar sind, dass jeder ein unterschiedliches Persönlichkeitskonstrukt mitbringt, hilft das sehr für eine gute Kommunikation: Die eine Kollegin glaubt: „Das ist der einzige richtige Weg!“. Der andere Kollege glaubt mit gleicher Kraft „Nein, dies ist richtig!“ Das ist normal. Aber wenn man etwas bewegen will, ist so ein Mensch, der glaubt „Hauptsache ich bin motiviert, da muss ich gar nicht so viel wissen“ ja schwer um sich zu haben.
Wie kann ich das in dem Moment wertschätzen?
Indem ich es annehme und mir sage: Jemand, der so ehrgeizig ist wie ich und alles wissen will, und jemand, der mit Leichtigkeit bei der Sache ist – das zusammen gibt ein gutes Match. Ihr werdet bei der Arbeit wahrscheinlich keine Freunde, aber das Teamwork kann so trotzdem klappen.
Haben Unternehmen eigentlich auch so etwas wie Glaubenssätze?
Du kennst diesen Spruch „Gleich und gleich gesellt sich gern“? Ähnliche Glaubenssätze definieren zusammen so eine Art System. Und so geben in unterschiedlichen Unternehmenskulturen auch unterschiedliche Glaubenssätze den Ton an. Wir bei GROWPORT erleben täglich in unseren Coachings und Beratungen, dass Arbeit für Menschen eine sehr wichtige Säule für ihre psychische Gesundheit ist. Eine Säule, die uns stabilisiert, wenn wir uns denn im Job wohlfühlen. Will sagen: Eine Person, die beispielsweise wie ich unterwegs ist mit dem Glaubenssystem „Ich möchte den Menschen helfen“, die ist auf einem Ponyhof nicht so gut aufgehoben, außer es ist ein Hof, wo es Therapie mit Pferden gibt. Die sollte sich besser ein anderes Umfeld suchen. Denn je besser ihre Identität und das, woran sie glaubt, zu ihrer Arbeit passt, desto mehr wird sie sich wohlfühlen und auch langfristig gesund bleiben.